Etappe 13 – Der Weg des Mister Click-Click. (Neu überarbeitet)
02.06.2014 – 21 Kilometer von Burgos bis nach Hornillos del Camino. Sonne von früh bis spät. Die Voraussage der Kellnerin von gestern Abend trifft ein.

Ich bin jetzt schon immer früher wach. War ich zu Beginn meiner Reise stets bei den letzten die in den Tag aufgebrochen sind, befinde ich mich nun zwar noch nicht bei den ersten der gesamten Pilgerschar, aber im guten Mittelfeld, so wie auch meine Camino Familie, wie wir sechs uns jetzt nennen. 7:30 Uhr ist es heute. Nach einem großen Croissant und Tee mache ich mit Gina und Chris den Anfang. Es geht durch einen Park, vorbei an der Universität und viel Grün begleitet uns. Der westliche Teil Burgos ist so anders, so konträr zu seiner von der Industrie verstellten Welt im Osten der Stadt. Chris ist mit 59 der älteste in unserer Familie und wurde heuer pensioniert, nach einem langen Arbeitsleben. Er war Teil des britischen Justizministeriums, die letzten 15 Jahre im Führungsstab. Er lebt in der Grafschaft Essex, in einer Kleinstadt direkt am Meer. Er hat drei Töchter und eine bezaubernde Frau, soweit man es auf dem Foto, das er mir zeigt, beurteilen kann. Ich denke es wird aber stimmen, denn auch er ist ein äußerst lieber Kerl und mittlerweile ein Stützpfeiler unserer Gruppe geworden. Gina tänzelt vor mir durch den Park. Ich sehe nur ihre zur Seite gestreckten Arme und die Beine. Der Rest wird von einem überdimensionierten Rucksack versteckt.

Es ist fast wolkenlos, aber es bläst ein recht kalter Wind. Die Autofahrer bleiben bei den nicht durch Lichtsignale geregelten Fußgängerübergängen sofort stehen, wenn man davor steht. Habe ich so nicht in Erinnerung, aus südlichen Ländern. Man wird auch ständig gegrüßt und darauf Aufmerksam gemacht, sollte man den markierten Weg einmal verlassen, auch wenn es nicht immer Versehentlich geschieht. Ich denke die Spanier in diesem Landstrich wissen, dass die Pilgerschaft mittlerweile einen eigenen Industriezweig darstellt und auch viele davon profitieren, selbst wenn keiner bei den niedrigen Nächtigungsgeldern oder Menü Preisen, reich werden kann. Ich muss es nochmals betonen. Man hat hier nie das Gefühl ausgenommen zu werden. Ich werde jetzt immer Öfters von den Pilgern denen ich mich Nähere erkannt, ohne dass sie sich umdrehen dabei. Es liegt an meinem Trekkingstock, den ich günstig in Zubiri gekauft habe. Er macht ein seltsames Click-Geräusch, einzigartig unter den vielen Wanderstöcken. Die Leute nennen mich liebevoll Mister Click-Click, wenn ich sie mit einem „Buen Camino“ überhole. Es sind Pilger die ich nicht näher kenne, aber sie wissen wer ich bin. Es ist schön hier zu sein.

Die Landschaft ist flach. Hin und wieder durchzogen mit großen Hügeln, als wären sie von Kinderhänden in Sandkästen geformt worden. Die Sonne hat nur wenige Möglichkeiten Schatten zu werfen, mitunter an riesigen Stahlkonstruktionen die aus der Erde ragen und stromführende Leitungen von ihr fern halten. Vor diesem Hintergrund konnte ich mich einem Alleingang nicht entziehen. Gleich nach Burgos habe ich mich von Chris und Gina abgesetzt. In Tardajos, einer kleinen Ansiedlung auf halber Strecke nach Hornillos, warte ich jetzt auf meine Freunde. Ich habe an einem Tisch, vor einem Supermarkt Platz genommen, auch andere Pilger gönnen sich die Zeit für eine Tasse Kaffee. Es sind diese Supermärkte in Spanien, wie ich bereits erwähnt habe, die nicht selten lediglich die Größe einer oder zwei Garagen aufweisen. Man bekommt hier frischen Cappuccino, belegte Brötchen und was man sonst noch für den täglichen Bedarf benötigt, Toilettenartikel eingeschlossen. Es dauert nicht lange, dann kommt meine Camino Familie beinahe geschlossen anmarschiert. Unsere heutige Etappe fällt recht kurz aus und deshalb verweilen wir hier ein wenig länger.

Die letzten 10 Kilometer gehe ich mit Kristi und Steve gemeinsam. Wir harmonieren auch sehr gut in der Geschwindigkeit. Der kühle Wind hat sich gemäßigt und es wird wärmer. Zeit, nach der Jacke auch noch das T-Shirt abzustreifen. Das Hemd behalte ich an und stelle den Kragen hoch, zum Schutz meines verbrannten Nackens vor der Sonne. Ein „Mein Gott“ von Kristi, lässt mich beim Kleiderwechsel hellhörig werden. Ich folge Kristis Blick und sehe auf meine Schultern die mit zahlreichen Bläschen überzogen sind. Es kommt vom Schulterriemen, versuche ich, vom Anblick selbst geschockt, zu erklären. Es ist schlimmer geworden und die größeren Blasen sind zum Teil bereits aufgebrochen. Auch Steve meint, dass es nicht schön aussieht und beginnt zu lachen. Er steckt uns damit an, es tut auch nicht weh, es sieht nur scheußlich aus. Kristi empfiehlt mir den Hüftgürtel enger zu ziehen, damit nehme ich etwas das Gewicht von meinen Schultern. So halte ich es auch und um 13:00 Uhr sind wir in Hornillos del Camino, ein verwaistes Nest mit 60 Einwohnern. Die kleine Albergue El Afar hat gerade noch 6 Betten frei. Es gibt sogar einen sonnigen Garten, dort begegne ich der deutschen Gruppe um Carola und Franziska. Sie sind mittlerweile auch zu sechst, ein weiteres Mädchen hat sich ihnen angeschlossen, eine Studentin aus Köln. Am Abend gibt es hausgemachte Paella, zubereitet von der Frau des Hauses, auf einem Gas Grill im Garten. Ihr Mann trägt Tisch und Stühle zusammen. Die Sonne verschwindet erst gegen 21:00 Uhr hinter dem Horizont, ein Schauspiel das wir alle gemeinsam beobachten und um 21:30 Uhr geht es heute sehr früh in die Betten.

Erkenntnis des Tages: Pilger haben Vorrang.

Tag 14: Castrojeriz

Die nachfolgenden Bilder sind in der Reihenfolge des gegangenen Weges gelistet.


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